#tagdesoffenendenkmals (11-Sep-2016)

Am 11. September 2016 fand wieder der Bundesweite Tag des offenen Denkmals statt. Dieser 1984 in Frankreich als „Journées Portes ouvertes dans les monuments historiques“ gestartet, wurde in Deutschland zum ersten Mal 1993 durchgeführt.

An diesem 1. bundesweiten Tag des offenen Denkmals nahmen 1.200 Kommunen 3.500 Denkmale und insgesamt über 2 Millionen Besucher bundesweit teil. 2014 (letzte offizielle Zahl) waren es über 4 Millionen Besucher.

Seit 1999 hat der Tag des offenen Denkmals in Deutschland jeweils ein Thema. 2016 lautete es „Gemeinsam Denkmale erhalten“ um allen Mut machen, sich weiterhin für das baukulturelle Erbe zu engagieren.

Das dieser am 11-Sep stattfinden würde, hatte ich erst morgens im Radio gehört. Und so wurde ganz schnell die Landkreis-Liste Oberbayerns durchstöbert. Vielleicht würde ich ja etwas finden, das ich so noch nicht gesehen/beachtet hatte.

Das Radom hatte ich (von außen) erst am Tag zuvor gesehen, darauf hatte ich keine Lust. Die Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt auf dem Hohen Peißenberg könnte ich jeden Tag besuchen, abgesehen davon würden da (mir) zu viele hinfahren. Der historische Straßenzug aus 1920 in Penzberg? Nicht wirklich. Das Hanfstaengl-Kreuz in Pähl? Ist frei zugänglich. Die Dreifaltigkeitskirche beim Heilig-Geist-Spital? Ist im Moment Großbaustelle. Da kann ich auch warten, bis sie wieder zugänglich ist. Römerturm in Wessobrunn? Wo um Himmelswillen steht in Wessobrunn ein Römerturm? Da muss ich hin.

Der „Römerturm„, auch Grauer Herzog genannt, wurde um 1250 erbaut. Es handelt sich hierbei um den ehemaligen Glockenturm der 1810 abgebrochenen (ehemaligen) Klosterkirche. Na, das klingt doch mal interessant. Sonst nicht zugänglich? Also dann erst recht. Der Treffpunkt für die Führungen ab 13:00 Uhr war direkt am Turm.

Bei meinem Eintreffen lief bereits die erste Führung, die zweite würde kurz danach stattfinden. Gestaltet wurden diese von der Vereinigung Wessofontanum e.V. Der Herr, der die Führung für uns machte, war der Kunsthistoriker Dr. Hans Rohrmann (auch HIER), der zugleich Vorsitzender Wessofontanum ist.

Zu Beginn erfuhren wir im unteren Turm viel über die Bau-/Geschichte des Glockenturmes selber, der aus dem sogenannten Paterzeller Kalktuff besteht. Ebenso wie über die dort gelagerte Sammlung von behauenen Steinen aus der romanischen Klosterkirche, an denen teilweise noch Reste der früheren Bemalungen sichtbar sind.

Die Treppen sind, ebenso wie der Turm, aus Tuffsteinblöcken gefertigt und ziemlich hoch. Jedenfalls für mich. Die Mauerstärke beträgt hier unten 3 Meter. Obwohl es sich beim Römerturm um einen Wehrturm handelte, windet sich die Treppe gegen den Uhrzeigersinn links herum. Was meines Erachtens nach doch sehr unüblich ist. Denn in der Regel laufen Treppen in Wehrtürmen im Uhrzeigersinn nach oben um dem Verteidiger die Bewegung mit der rechte Hand zu ermöglichen.

Aus Gründen der Sicherheit lag der Eingang zum Bergfried nie ganz unten, sondern im ersten Stock. Man gelangte über eine Einstiegsleiter oder Treppe zum Eingang, die bei Gefahr hochgezogen beziehungsweise zerstört wurde. Hier in diesem Turm wurde der alte Zugang verschlossen und durch den neuen, den wir benutzt hatten, ersetzt. Von außen sieht man nicht mehr davon, von innen allerdings um so deutlicher.

Der obere Raum war früher der Fluchtraum. Heute ist er ein Glockenraum. In diesem Raum sieht man auch, das die Innenwände ab dem 3. Stockwerk sowie der Giebel ist aus Ziegeln statt Tuff gebaut wurden. Die Glocken sind definitiv in Betrieb, wie wir während der Besichtigung hören durften. Jo, ziemlich laut. Die ersten Glocke war aus dem Jahr 1455, bis 1590 existierten dann vier und bis zur Säkularisation 1803 fünf Glocken. Sowohl im 1. wie im 2. Weltkrieg wurden die Glocken abgenommen und eingeschmolzen. Aus welchem Jahr die derzeitigen sind, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.

In direkter Nähe der Klostermauer befindet sich die Tassilolinde, unter der einer Legende nach Baiernherzog Tassilo III. den Traum hatte, der ihn das Kloster Wessobrunn gründen hieß.

Im Jahre 753 verbrachte der bairische Herzog Tassilo III, erschöpft von der Jagd, eine Nacht unter einer großen Linde. Hier träumte er von drei Quellen die kreuzförmig zusammenflossen. Eine Leiter führte vom Himmel herab, auf welcher Engel wanderten und aus der Quelle schöpften. Am oberen Ende stand eine Gestalt, die er als Petrus identifizierte. Am nächsten Morgen beauftragte Tassilo seine Jagdgefährten Wezzo und Tharingari nach den drei Quellen zu suchen! Es dauerte nicht lange, da wurde Wezzo fündig! Nur unweit der Linde, unter welcher der Herzog geschlafen hatte, fand er die Quellen.

An dieser Stelle befindet sich heute das historische Brunnenhaus. Die drei Quellen, die in Kreuzesform zusammenfließen und in der Gründungslegende ihre Bedeutung haben, wurden im 16.Jhr zusammengefasst und mit einer Mauer umgeben. 1735 wurde dann die dreibögige, offene Brunnenhalle erbaut. Bis zum Jahr 1986 wurde übrigens neben dem Kloster auch der Ort Wessobrunn von hier aus mit Wasser versorgt.

Vom Brunnenhaus geht man durch den Klostergarten weiter zur Mariengrotte. Die Grotte wurde im Jahre 2009 aus Tuffsteinen der ehemaligen Klosterkirche erbaut. Die darin befindliche Madonnenstatue ist eine Kopie der um 1235/50 entstandenen „Mutter der Heiligen Hoffnung“. Die Originalfigur befindet sich heute im Nationalmuseum in München.

Der Fußweg zur Tassilolinde ist nicht weit und schön zu gehen.

Als ich vor der Linde stand musste ich zugeben, das ich doch etwas enttäuscht war. Der ursprüngliche Baum war der innere Kern, um den immer neue Triebe zu Stämmen herangewachsen sind, wenn auch der innere Teil wieder morsch geworden ist. Morsch. Im Prinzip ist die heutige Linde nur noch der äußere Ring an Stämmen.

Auf manchen Internetseiten finden sich schwärmerische Aussagen wie „Man glaubt sich in der Welt der Elfen und Kobolde wiederzufinden. So bizarr und formenreich hat hier die Natur gearbeitet.“ oder auch „Diese Linde inspirierten bereits seit jeher die Menschen.“ [Quelle] Oder „Ihre Verwachsungen wirken märchenhaft und sie ist ein wunderschöner Baum! Der Ort an sich verzaubert und schenkt Kraft. Ein Platz der Freude an dem man gerne verweilt.“ [Quelle]

Öhm. Nein.
Vielleicht bin ich einfach zu un-mythisch. Aber ein alter, morscher Baum, der an einem Schotterweg unterhalb von Viehweiden und oberhalb einer vielbenutzten Fußgängerbrücke steht, ist jetzt nicht unbedingt ein Ort an dem ich Elfen und Kobolde erwarten geschweige denn mich verzaubern würde, während ich dort verweile.

Um diese Bilder zu machen, habe ich 5 oder 6 Anläufe benötigt, da mir ständig irgendwer vor der Linse herum lief. Vielleicht mag es unter der Woche an einem „normalen“ Arbeitstags schöner dort sein. Aber an diesem Tag war es einfach nur anstrengend.

Neben dem Römerturm stand bis 1810 die Klosterkirche (von 1285). Bei der Säkularisation 1803 wurde die Inneneinrichtung versteigert bzw. zerstört. Große Teile de Klosters wurden ausgeschlachtet, um die abgebrannte obere Stadt in Weilheim wieder aufzubauen. An die Lage des Hauptaltares erinnert heute nur noch ein Gedenkstein.

Kurz den Bäumen steht übrigens die Gedenkstehle.

Das frühe Kloster selber war ein eher armes Kloster. 817 war es so mittellos, dass es Kaiser Karl dem Großen keine Abgaben für einen Kriegszug zu entrichten hatte, sondern nur Gebete. 955 brannten die Ungarn die Anlage nieder und ermordeten Abt Thiento und sechs seiner Mönche. Erst 1064 wurde erneut ein Benediktinerkloster gegründet. In Folge wendete sich das Blatt und das Kloster kam zu Geld. Viel Geld. Wie Klöster es eben so machen.

Das änderte sich 1803 (wie erwähnt) mit der Säkularisation. 1861 wurden die restlichen Gebäude gerettet und 1913 den Missions-Benediktinerinnen aus Tutzing geschenkt. Sie zogen in zwei der ehemaligen Klostertrakte ein und bildeten am Ort ein neues Benediktinerkloster. Von 1955 bis 2001 führten die Schwestern hier ein Jugendkurheim. 2012 zogen die letzten Schwestern aus dem Kloster aus. Seit 2014 ist die gesamte Anlage eine Naturkosmetik-Firma verkauft, aber weiterhin in großen Teilen zugänglich.

Auf dem Klostergelände steht seit 1759 die Pfarrkirche St.Johann Baptist, die den Zerstörungswillen der Säkularisation überstanden hat. Hier findet sich seit 1803 auch das originale Gnadenbild „Mutter der Schönen Liebe“ aus der zerstörten Klosterkirche, das vom damaligen Pfarrer gerettet werden konnte.

Die Kirche gehört übrigens zum Münchner Jakobuspilgerweg. Mehr dazu findet sich HIER.

Alles in allem ein sehr interessanter Nachmittag. Ich habe wieder einmal viel über Geschichte im Pfaffenwinkel erfahren, über die Klöster, die Kirchen und die Legenden.

Die Begriffe „Wessobrunner Gebet“ und „Wessobrunner Stuck“ kannte ich vorher schon, hatte sie aber nicht mit dem Dorf an sich bzw. dem früheren Kloster in Verbindung gebracht. Auch über die Schlacht auf dem Lechfeld und die Ungarneinfälle wusste ich bisher wenig. Ein Thema, das durchaus interessant ist.



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert