Seit 1999 hat der Tag des offenen Denkmals in Deutschland jeweils ein Thema. 2016 lautete es „Gemeinsam Denkmale erhalten“ um allen Mut machen, sich weiterhin für das baukulturelle Erbe zu engagieren.
Das dieser am 11-Sep stattfinden würde, hatte ich erst morgens im Radio gehört. Und so wurde ganz schnell die Landkreis-Liste Oberbayerns durchstöbert. Vielleicht würde ich ja etwas finden, das ich so noch nicht gesehen/beachtet hatte.
Das Radom hatte ich (von außen) erst am Tag zuvor gesehen, darauf hatte ich keine Lust. Die Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt auf dem Hohen Peißenberg könnte ich jeden Tag besuchen, abgesehen davon würden da (mir) zu viele hinfahren. Der historische Straßenzug aus 1920 in Penzberg? Nicht wirklich. Das Hanfstaengl-Kreuz in Pähl? Ist frei zugänglich. Die Dreifaltigkeitskirche beim Heilig-Geist-Spital? Ist im Moment Großbaustelle. Da kann ich auch warten, bis sie wieder zugänglich ist. Römerturm in Wessobrunn? Wo um Himmelswillen steht in Wessobrunn ein Römerturm? Da muss ich hin.
Der „Römerturm„, auch Grauer Herzog genannt, wurde um 1250 erbaut. Es handelt sich hierbei um den ehemaligen Glockenturm der 1810 abgebrochenen (ehemaligen) Klosterkirche. Na, das klingt doch mal interessant. Sonst nicht zugänglich? Also dann erst recht. Der Treffpunkt für die Führungen ab 13:00 Uhr war direkt am Turm.
Zu Beginn erfuhren wir im unteren Turm viel über die Bau-/Geschichte des Glockenturmes selber, der aus dem sogenannten Paterzeller Kalktuff besteht. Ebenso wie über die dort gelagerte Sammlung von behauenen Steinen aus der romanischen Klosterkirche, an denen teilweise noch Reste der früheren Bemalungen sichtbar sind.
Im Jahre 753 verbrachte der bairische Herzog Tassilo III, erschöpft von der Jagd, eine Nacht unter einer großen Linde. Hier träumte er von drei Quellen die kreuzförmig zusammenflossen. Eine Leiter führte vom Himmel herab, auf welcher Engel wanderten und aus der Quelle schöpften. Am oberen Ende stand eine Gestalt, die er als Petrus identifizierte. Am nächsten Morgen beauftragte Tassilo seine Jagdgefährten Wezzo und Tharingari nach den drei Quellen zu suchen! Es dauerte nicht lange, da wurde Wezzo fündig! Nur unweit der Linde, unter welcher der Herzog geschlafen hatte, fand er die Quellen.
An dieser Stelle befindet sich heute das historische Brunnenhaus. Die drei Quellen, die in Kreuzesform zusammenfließen und in der Gründungslegende ihre Bedeutung haben, wurden im 16.Jhr zusammengefasst und mit einer Mauer umgeben. 1735 wurde dann die dreibögige, offene Brunnenhalle erbaut. Bis zum Jahr 1986 wurde übrigens neben dem Kloster auch der Ort Wessobrunn von hier aus mit Wasser versorgt.
Auf manchen Internetseiten finden sich schwärmerische Aussagen wie „Man glaubt sich in der Welt der Elfen und Kobolde wiederzufinden. So bizarr und formenreich hat hier die Natur gearbeitet.“ oder auch „Diese Linde inspirierten bereits seit jeher die Menschen.“ [Quelle] Oder „Ihre Verwachsungen wirken märchenhaft und sie ist ein wunderschöner Baum! Der Ort an sich verzaubert und schenkt Kraft. Ein Platz der Freude an dem man gerne verweilt.“ [Quelle]
Öhm. Nein.
Vielleicht bin ich einfach zu un-mythisch. Aber ein alter, morscher Baum, der an einem Schotterweg unterhalb von Viehweiden und oberhalb einer vielbenutzten Fußgängerbrücke steht, ist jetzt nicht unbedingt ein Ort an dem ich Elfen und Kobolde erwarten geschweige denn mich verzaubern würde, während ich dort verweile.
Um diese Bilder zu machen, habe ich 5 oder 6 Anläufe benötigt, da mir ständig irgendwer vor der Linse herum lief. Vielleicht mag es unter der Woche an einem „normalen“ Arbeitstags schöner dort sein. Aber an diesem Tag war es einfach nur anstrengend.
Das änderte sich 1803 (wie erwähnt) mit der Säkularisation. 1861 wurden die restlichen Gebäude gerettet und 1913 den Missions-Benediktinerinnen aus Tutzing geschenkt. Sie zogen in zwei der ehemaligen Klostertrakte ein und bildeten am Ort ein neues Benediktinerkloster. Von 1955 bis 2001 führten die Schwestern hier ein Jugendkurheim. 2012 zogen die letzten Schwestern aus dem Kloster aus. Seit 2014 ist die gesamte Anlage eine Naturkosmetik-Firma verkauft, aber weiterhin in großen Teilen zugänglich.
Auf dem Klostergelände steht seit 1759 die Pfarrkirche St.Johann Baptist, die den Zerstörungswillen der Säkularisation überstanden hat. Hier findet sich seit 1803 auch das originale Gnadenbild „Mutter der Schönen Liebe“ aus der zerstörten Klosterkirche, das vom damaligen Pfarrer gerettet werden konnte.
Alles in allem ein sehr interessanter Nachmittag. Ich habe wieder einmal viel über Geschichte im Pfaffenwinkel erfahren, über die Klöster, die Kirchen und die Legenden.
Die Begriffe „Wessobrunner Gebet“ und „Wessobrunner Stuck“ kannte ich vorher schon, hatte sie aber nicht mit dem Dorf an sich bzw. dem früheren Kloster in Verbindung gebracht. Auch über die Schlacht auf dem Lechfeld und die Ungarneinfälle wusste ich bisher wenig. Ein Thema, das durchaus interessant ist.