Der ursprüngliche Plan war, Altötting zu besuchen. Aber im Laufe des Vormittags war klar, dass ich das zeitlich nicht schaffen würde. Die Richtung wollte ich aber beibehalten. Aus gutem Grund. Ich lebe nun schon 28 Jahre in Oberbayern, aber das bayrische Inntal habe ich bisher noch nie besucht. Weder mit dem Auto, noch mit dem Zug. Und mit dem Motorrad schon gar nicht. Warum also nicht jetzt? Das Wetter war perfekt. Sonnig, aber nicht zu warm.
Bis Irschenberg kannte ich die Strecke, daher konnte ich ohne Kartenunterstützung losfahren. Ich bin bekennende Kartenbenutzerin. Ja, natürlich besitze ich ein Navi. Aber für was? Die wenigsten halten stundenlang durch. Und wasserdicht sind auch die wenigsten. Klar, das sind Papierkarten auch nicht, aber die funktionieren ohne Strom. Und so habe ich immer die nötigen Karten im Tankrucksack.
Kurz hinter Waakirchen waren die ersten 45 Minuten Fahrtzeit vorbei. Und da mir mein Fahrlehrer immer (und immer und immer) wieder gepredigt hat, genug Pausen zu machen, habe ich mir eine Stelle gesucht, an der ich in Ruhe eben diese erste Pause machen konnte. Als ich am Kreisverkehr ein Hinweisschild auf das Schaftlacher Kreuz sah, war das ein Tipp, dem ich natürlich nachgehen wollte. Der Ortsteil Schaftlach selber wurde 1015 erstmals erwähnt und aus dieser Zeit stammt auch das Schaftlacher Kreuz in der Heilig-Kreuz-Kirche (sieh auch HIER).
Im Nachgang zum damaligen Urlaub hatte ich gelesen, das jeder Friedhof, der durch die Commonwealth War Graves Commission entworfen und gebaut wurde, nach eindeutigen Gestaltungsregeln und Bauvorschriften konzipiert ist. Diese wurden bereits 1917 festgelegt und unterliegen einer strengen Ausführung. Das hat zur Folge, dass sich die Soldatenfriedhöfe der CWGC in ihrer architektonischen und baulichen Darstellung immer gleichen. Alle Ehrenfriedhöfe sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, denn sie sollen als Verbindung zwischen den Lebenden und Toten dienen. (Klick) Also kann man sagen, das dieser stellvertretend für alle Kriegsgräberstätten steht.
Faszinierend für mich war die Straße hinter Irschenberg. Irschenberg liegt auf einem Höhenrücken (730 m) aus mächtigen Rand- und Endmoränen, die eiszeitliche Gletscher hinterlassen hatten, über dem Tal der Mangfall. Die Steigungen und Gefälle liegen zwischen 7 % und 18 %. Die Sicht ins Mangfalltal ist unglaublich. Man sieht das Rosenheimer Becken als völlig flache Topographie.
„Unten“ angekommen war es schon merkwürdig, auf einmal in so einer flachen Ebene zu fahren. Platt, einfach nur platt. So platt, wie ich es aus Norddeutschland kenne. Man hat es auch an den Temperaturen gemerkt. In diesem Becken ist weniger Luftbewegung, als in dem Streckenabschnitt zuvor. Außerdem war die Luft feuchter, was natürlich auch durch die vielen Flüsse, Seen und Moore bedingt ist. Eine sehr feuchte Ecke.
Bei Götting musste ich mich für eine Richtung entscheiden. Aber da ich ja eh vorgehabt hatte, Richtung Altötting zu fahren, war klar wo es lang ging. Beim ersten Lesen des Straßenschildes musste ich allerdings grinsen … ich hatte Göttin gelesen.
Die Orte Bruckmühl, Bad Aibling, Kolbermoor und Rosenheim gehen entlang der Mangfall fast nahtlos ineinander über. Wobei die Aussicht auf den Alpenkamm wunderschön ist. Leider konnte ich aufgrund des Samstagnachmittagsverkehrs nicht anhalten, um zu fotografieren.
Der nächste Halt war in Kolbermoor. Direkt an einer Ampel konnte ich eine Werbung für ein neu eröffnetes Café sehen, was auch sehr einladend aussah. Und es sollte mich nicht enttäuschen. Das „Brotkaffee“ ist ein echter Geheimtipp. Und die Macha-Grüntee-Torte war ein Traum.
Von Rosenheim bis Rott am Inn sind es nur 16 km. Aber trotzdem ein guter Zeitpunkt eine erneute Pause zu machen. Das dortige ehemalige Benediktiner-Kloster beherbergt, unter anderem, die sterblichen Überreste von Franz Joseph Strauß und seiner Frau Marianne.
Die beiden habe ich allerdings nicht besucht, nur die Kirche. Die Anfänge des Klosters reichen in das späte 11. Jahrhundert zurück. Die Pfarrkirche ist dem hl. Marinus und dem hl. Anianus geweiht (Klick auch HIER). Von den beiden hatte ich bis dato noch nie etwas gehört. Naja, Motorradtouren bilden eben. Die Wallfahrtskirche Wilparting steht inzwischen auch auf meiner To-Do Liste.
Über kleine Staatsstraßen ging es durch den Landkreis Ebersberg weiter Richtung Aßling. Dieser Ort ist vor allem Bahnschraten bekannt, da sich hier am 16. Juli 1945 ein schweres Zugunglück mit mehr als 100 Toten ereignete. Auch hier, wie beim Zugunglück 2016 in Bad Aibling war es ein Fehler des Fahrdienstleiters (Transportoffiziers). Im Gegensatz zum Bad Aiblinger Eisenbahnunfall von 1945, welches auf technischen Problemen basierte.
Verdammt, warum speichert mein Hirn so einen unnützen Kram?
Jedenfalls habe ich in Aßling die Abzweigung Richtung Glonn verpasst und bin weitergefahren Richtung Kirchseeon. Gut, auch hier hätte es eine Abkürzung gegeben, aber ich hatte mich entschieden, auf der B304 zu bleiben. Kirchseeon liegt an der S-Bahn-Strecke zwischen Tutzing („meine“ Seite) und Grafing/Bahnhof. Hier fand Anfang Mai 2016 die schwere Messerattacke am S-Bahnhof statt.
Genug abgeschweift.
Womit ich nicht gerechnet habe, war die Tatsache, dass diese B304 ersten einfach nur geradeaus geht und zweitens unfassbar viele, grauenhaft geschaltete Ampeln hat. Man fährt schnurgerade durch die Münchner Vororte Vaterstetten, und Haar bei München nach Trudering-Riem (am alten Airport-Gelände) und Berg am Laim direkt auf den mittleren Ring (B2R), Deutschlands staureichste Strecke. In Trudering habe ich noch einmal Pause gemacht, da es doch inzwischen sehr warm war und ich Schatten wollte.
Danach wurde es einfacher, die Strecke kannte ich schließlich. Wenn auch zugegebenermaßen nur mit dem Auto. Aber schlimmer als die B304 mit ihren vielen Ampeln konnte sie nicht sein. Nein, schlimmer war sie nicht. Das ist richtig. Aber es ist schon ein gewaltiger Unterschied zwischen München mit dem Auto und München mit dem Motorrad. Mit einem großen Haufen Blech um einen herum fährt es sich dort entspannter.
Die A95 war erfreulich leer und so konnte ich zügig Richtung Starnberg fahren. Im Ort selber war es dann vorbei mit leeren Straßen. Schon wieder Stau. Aber es gibt ja Alternativrouten, die zudem schöner liegen. Über Niederpöcking, Possenhofen (bekannt durch die spätere Kaiserin Elisabeth von Österreich und Königin von Ungarn), Feldafing, Garatshausen und Tutzing ging es zurück nach Hause. Ja, es ist eine ziemlich geschichtsträchtige Ecke hier.
Und schön obendrein.
Good to know.